Energiewende im Außenbereich: Nachbarschutz bei Wind- und Solarprojekten
Der Ausbau erneuerbarer Energien – besonders von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Freiflächenanlagen – schreitet in Deutschland weiterhin voran und erhält starke politische Unterstützung. Doch nicht alle Grundstückseigentümer und Anwohner begrüßen die im Zuge der Energiewende neu geschaffenen Projekte in ihrer Nähe.
Hintergrund
Von einzelnen Anlagen bis zu großen Wind- und Solarparks variieren die Auswirkungen auf die Umgebung stark. Konflikte zwischen Projektbetreibern und Nachbarn treten daher regelmäßig auf. Besonders wichtig ist die Frage: Welchen Schutz haben betroffene Grundstückseigentümer im Außenbereich? Die Errichtung von Anlagen im Außenbereich stellt den Regelfall dar. Dies liegt an ihrer Beschaffenheit und daran, dass dort die Erzeugung von Strom und Wärme günstiger und in größeren Mengen möglich ist. Außerdem treten im Außenbereich weniger Platzprobleme auf, und es entstehen seltener Konflikte mit bestehender Bebauung oder intensiverer Nutzung als in der Stadt. Daher nimmt häufig der hierfür maßgebliche § 35 BauGB als Beurteilungsmaßstab für die rechtliche Zulässigkeit eine zentrale Rolle ein.
Rechtsprechung zum Nachbarschutz
Grundsätzlich gilt hierbei, dass sich bei Vorhaben im Außenbereich der Nachbarschutz auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme beschränkt, das in die Anwendung des § 35 Abs. 2 BauGB als Bestandteil der nach § 35 Abs. 3 BauGB zu berücksichtigenden öffentlichen Belange Eingang findet (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. 2. 1977 – IV C 22/75 (Lüneburg)). Damit gilt auch im Außenbereich der Grundsatz, dass Nachbarschutz nur bei der Verletzung nachbarschützender Vorschriften gewährt wird. Dies hat auch zuletzt noch einmal das OVG Sachsen in seinem Beschluss vom 24.06.2025 bekräftigt (Az.: 1 B 87/25).
Voraussetzung für die Annahme eines Abwehrrechts aus der Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist, dass der Grundstückseigentümer vom Bauvorhaben in erheblichem Umfang negativ betroffen ist, d.h. eine Belastung des Grundstücks in außergewöhnlich hohem Maße und in unzumutbarer Art und Weise stattfindet (so auch: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 9. Oktober 2009 – 1 CS 08.1999 –, juris). Entscheidend sind also immer die konkreten Verhältnisse, aus denen sich die Unzumutbarkeit eines Vorhabens bzw. dessen Auswirkungen zu Lasten der Nachbarn ergibt.
Praktische Bedeutung für die Energiewende bei Wind- und Solarprojekten
In dem bereits angeführten Beschluss des OVG Sachsen, hat dieses im Falle eines noch zu bauenden Solarparks (Photovoltaik-Freiflächenanlage) entschieden, dass eine fehlende Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB keine solche nachbarschützende Wirkung entfaltet und der Solarpark somit gebaut werden darf.
Neben dem aus § 35 BauGB folgenden Gebot der größtmöglichen Schonung des Außenbereichs dient die Regelung des § 35 Abs. 1 Nr. 8 b) BauGB allein dem öffentlichen Interesse an der Versorgung mit elektrischer Energie. Eine darüberhinausgehende Absicht des Gesetzgebers, dass auch der Schutz der Grundstücksnachbarn beabsichtigt ist, lässt sich aus der Gesetzesbegründung nicht entnehmen. Da auch ansonsten kein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot festgestellt werden konnte – im konkreten Fall fehlte es zum Beispiel an einer durch Abstände zwischen dem Solarpark und dem Wohnhaus hervorgerufenen erdrückenden oder einschließende Wirkung – standen insgesamt kein öffentlicher Belang i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB entgegen.
Hieran wird deutlich, dass ein bloßer Verstoß der erneuerbaren Energieanlage gegen die Privilegierungsvorschriften des § 35 BauGB keinen Nachbarschutz vermittelt. Diesem kommt generell nicht die Funktion einer allgemein nachbarschützenden Vorschrift zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. April 1995 – 4 B 47/95 –, juris, Rn. 2) und beschränkt sich weiterhin insbesondere auf die Anforderungen des Gebots der Rücksichtnahme. Da dieses jedoch weiterhin durchgreifen kann, ist es im Falle einer möglichen Beeinträchtigung oder des geplanten Baus der jeweiligen Anlage unerlässlich eine gründliche rechtliche Prüfung vorzunehmen. Ansonsten droht das Abschmettern des eigenen Vorbringens im Verfahren, obwohl dieses durch eine vorausschauende Planung und eine präventive Einschätzung hätte verhindert werden können.
Fazit
Für Anwohner greift der Nachbarschutz im Außenbereich nur eingeschränkt. Für Betreiber zeigt sich: Frühzeitige Planung und rechtliche Beratung verhindern spätere Streitigkeiten und sichern die reibungslose Umsetzung von Wind- und Solarprojekten im Rahmen der Energiewende.
Wir beraten Sie umfassend zu allen rechtlichen Fragen rund um erneuerbare Energieanlagen im Außenbereich – von der Prüfung des Nachbarschutzes bis zur sicheren Umsetzung Ihres Projekts.

