Darf der Arbeitgeber nach dem 20. März 2022 weiterhin  Impf- oder Testnachweise verlangen?

Das Ende der bundeseinheitlichen Corona-Regeln am 20.3.2022 wirkt sich auch auf die Betriebe aus. Neben der Pflicht zur Arbeit aus dem Homeoffice sind auch die 3G-Nachweis- und Kontrollpflichten entfallen. Letztere gelten nur noch in Einrichtungen der medizinischen Versorgung, Pflege und Betreuung.

Mit dem Wegfall der verpflichtenden 3G Regeln am Arbeitsplatz stellt sich die Frage, ob Arbeitgeber weiterhin verlangen können, dass Mitarbeiter einen Impf- bzw. Testnachweise vorlegen.

§ 28 b IfSG geändert

Ab dem 20.3.2022 kann sich der Arbeitgeber jedenfalls nicht mehr auf § 28 b IfSG berufen. Dessen „3 G Regelungen“ zum Arbeitsplatz wurden gestrichen. Die Zulässigkeit einer Fortführung dieser Maßnahmen müsste sich zukünftig wieder aus allgemeinen arbeitsrechtlichen und arbeitsschutzrechtlichen Gesetzen ergeben.

Schutzpflichten des Arbeitgebers gem. § 618 BGB und § 3 ArbSchG

In Betracht kommen insbesondere § 618 BGB und § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Beide Normen verpflichten den Arbeitgeber zur Vornahme von Maßnahmen, um die Gesundheit und Sicherheit seiner Mitarbeiter zu schützen. Gemäß § 4 ArbSchG ist der Arbeitgeber verpflichtet, Gefahren an der Quelle zu bekämpfen (Ziff. 2), dabei den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene zu berücksichtigen (Ziff. 3) und dabei individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen zu behandeln (Ziff. 5).

Individuelle Gefährdungsbeurteilung

Ob Impfnachweise bzw. Tests weiter verlangt werden dürfen, hängt daher von dem individuellen Risiko am Arbeitsplatz ab. Dabei kann nicht allein auf allgemein hohe Inzidenzzahlen oder Krankenstände abgestellt werden. Vielmehr muss auf den Betrieb bezogen eine Bewertung des Ansteckungsrisikos vorgenommen werden. Arbeiten die Mitarbeiter also nur in Einzelbüros mit nur kurzen Begegnungszeiten (im Flur oder belüftetes WC), reichen möglicherweise Maskenpflicht und Abstandsregeln. In Großraumbüros oder Betrieben, in denen schlecht belüftete Gemeinschaftsräume genutzt werden müssen, kann die Testpflicht bei unverändert hohem regionalem Infektionsgeschehen aber weiterhin gerechtfertigt sein.

Landesarbeitsgericht München Urteil vom 26.10 2021

Zur Frage, unter welchen Bedingungen ein Arbeitgeber auch ohne ausdrückliche Normierung eine Testpflicht verordnen kann (hier: PCR-Test) verhält sich eine Entscheidung des LAG München mit Urteil vom 26.10 2021 (9 Sa 332/21).

In dem Fall hatte der Arbeitgeber (Bayerische Staatsoper) von seinen Orchestermusikern die Vorlage negativer PCR-Tests verlangt, um an Proben und Aufführungen teilzunehmen. Eine Mitarbeiterin hatte sich geweigert und machte im Klageverfahren die Vergütung geltend, die der Arbeitgeber ihr aufgrund ihres „unerlaubten Fehlens“ vorenthalten hatte. Die Klägerin hatte die Auffassung vertreten, dass die Bayerische Staatsoper mangels Rechtsgrundlage nicht berechtigt sei, die besagten Coronatests anzuordnen. Daraus folge, dass der Arbeitgeber ihr Arbeitsangebot zu Unrecht abgelehnt hatte und daher weiterhin ihr Gehalt zahlen müsse.

Das LAG München hatte die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Klägerin sei nicht gewillt gewesen, die Arbeitsleistung zu den vertraglich geschuldeten Bedingungen (also mit Vorlage eines Testergebnisses) zu erbringen. Der Arbeitgeber sei berechtigt gewesen, von der Klägerin die Vornahme des Coronatests zu verlangen. Zwar wurde vom Gericht als Anspruchsgrundlage vor allem auf eine tarifvertragliche Regelung abgestellt, die die Einschaltung eines Vertrauensarztes ermöglichte, um feststellen zu lassen, ob der „Musiker arbeitsfähig und frei von ansteckenden oder ekelerregenden Krankheiten ist“.

In der Begründung stellt das Gericht aber auch auf allgemeine Anspruchsnormen ab, wie § 618 BGB und § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Beide Normen verpflichten den Arbeitgeber zur Vornahme von Maßnahmen, um die Gesundheit und Sicherheit seiner Mitarbeiter zu schützen. Auch auf § 4 ArbSchG wurde verwiesen, wonach der Arbeitgeber verpflichtet ist, Gefahren an der Quelle zu bekämpfen (Ziff. 2), dabei den Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene zu berücksichtigen (Ziff. 3) und dabei individuelle Schutzmaßnahmen nachrangig zu anderen Maßnahmen zu behandeln (Ziff. 5).

Der Arbeitgeber sei deshalb verpflichtet, alle zumutbaren Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer vor einer Ansteckung mit dem Sars-Cov-2-Virus zu ergreifen. Auch die Verhältnismäßigkeitsprüfung des mit einem Nasenabstrich verbundenen Eingriffs in die körperliche Unversehrtheit und das informationelle Selbstbestimmungsrecht ging zugunsten des Arbeitgebers aus.

Testpflicht und Datenschutz

Das LAG München stellte auch fest, dass die Testpflicht nicht gegen geltendes Datenschutzrecht verstößt. Es bezog sich dabei aber nicht auf die allgemeine Erforderlichkeit solcher Tests im Sinne des § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG. Das Gericht zog Art. 9 Abs. 2 DSGVO heran, der die Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten durch den Arbeitgeber gestattet, „um Pflichten aus dem Arbeitsrecht und dem Recht der sozialen Sicherheit sowie nach dem Recht der Kollektivvereinbarungen zu erfüllen“. Dabei hatte das Gericht offenbar Art. 9 Abs. 2 b) DSGVO im Sinn.

Naheliegender wäre möglicherweise Art. 9 Abs. 2 h) DSGVO gewesen, der die Verarbeitung von Gesundheitsdaten „für Zwecke der Gesundheitsvorsorge oder der Arbeitsmedizin und für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit des Beschäftigten“ gestattet. Der mittlerweile ausgelaufene § 28b Abs. 3 IfSG, der ausdrücklich das Recht des Arbeitgebers regelt, personenbezogene Daten zum Impf-, Sero- und Teststatus der Beschäftigten in Bezug auf COVID-19 zu erheben und zu verarbeiten, stand zum betreffenden Zeitraum noch nicht zur Verfügung.

Tipps für die Praxis:

Ob der Arbeitgeber weiterhin Tests von seinen Mitarbeitern verlangen darf, hängt von der konkreten betrieblichen Situation und dem Infektionsgeschehen ab. Erforderlich ist eine individuelle Gefährdungsbeurteilung. Je länger die Aufhebung der 3G Regeln aus dem Infektionsschutzgesetz zurückliegt und mehr sich das regionale Infektionsgeschehen entspannt, desto schwieriger dürfte es zu rechtfertigen sein, den Zutritt zum Betrieb weiterhin von der Vorlage von Impf- oder Testnachweisen abhängig zu machen. Gibt es einen Betriebsrat, sollte eine Verlängerung der Testpflicht durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden.

Wenn Sie darüber hinaus Fragen haben, schicken Sie uns gern eine E-mail (info@gssr.de) oder rufen uns an auf unserer Hotline für Arbeitsrecht: 0221-39924-20.

23.03.2022
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Jörg Garben

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Rechtsanwalt Garben ist seit 1999 als Rechtsanwalt zugelassen und führt seit 2004 den Titel Fachanwalt für Arbeitsrecht. Zu seinen Mandanten zählen Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsräte sowie Geschäftsführer und Vorstände. Er hat zahlreiche Artikel und Urteilsbesprechungen im Bereich Arbeitsrecht und GmbH-Recht publiziert und ist Mitherausgeber des vierbändigen Praxishandbuch Arbeitsrecht (Düwell / Weyand / Garben) aus dem Deubner Verlag. Rechtsanwalt Garben hält regelmäßig Vorträge vor Unternehmern und Führungskräften (u.a. „Arbeitsrecht für Führungskräfte“, „Aktuelle Probleme im Arbeitsrecht aus Sicht des Mittelstandes“, „Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers“).

Über den Autor

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Garben ist seit 1999 als Rechtsanwalt zugelassen und führt seit 2004 den Titel Fachanwalt für Arbeitsrecht. Zu seinen Mandanten zählen Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Betriebsräte sowie Geschäftsführer und Vorstände.

Er hat zahlreiche Artikel und Urteilsbesprechungen im Bereich Arbeitsrecht und GmbH-Recht publiziert und ist Mitherausgeber des vierbändigen Praxishandbuch Arbeitsrecht (Düwell / Weyand / Garben) aus dem Deubner Verlag. Rechtsanwalt Garben hält regelmäßig Vorträge vor Unternehmern und Führungskräften (u.a. „Arbeitsrecht für Führungskräfte“, „Aktuelle Probleme im Arbeitsrecht aus Sicht des Mittelstandes“, „Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers“).

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