Aus Sicht des Unternehmers kann es reizvoll sein, flexible Löhne zu vereinbaren. Häufig werden bestimmte Lohnbestandteile oder „Leistungszulagen“ daher unter Widerrufs- bzw. Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt, damit diese Teile in schlechteren Zeiten leichter eingespart werden können.
Wirksamkeitskontrolle nach AGB-Recht
Seit die Klauseln eines Arbeitsvertrages an den strengen Wirksamkeitsvoraussetzungen für Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) gemessen werden, wurde die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit von Freiwilligkeits- und Widerrufsvorbehalten immer restriktiver. Widerrufs- bzw. Freiwilligkeitsvorbehalte für Lohnbestandteile(jeglicher Art (z.B. auch PKW) in Formulararbeitsverträgen sind enge Grenzen gesetzt.
Mit einer Entscheidung vom 25.04.2007 (5 AZR 627/06) hatte das Bundesarbeitsgericht bereits dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen eine im Arbeitsvertrag zusgesagte Leistung unter einen Vorbehalt des Widerrufs gestellt werden kann. Im betreffenden Fall hatte ein Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer folgende Zusatzvereinbarung getroffen: „Herr … erhält ab … eine monatliche Leistungszulage in Höhe von € 200,-…Die Zahlung erfolgt als freiwillige Leistung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht….„. Nachdem der Arbeitgeber diese Leistungszulage nicht mehr zahlte, wurde diese vom Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht eingeklagt. Das BAG gab dem Arbeitnehmer letztinstanzlich Recht. Im Leitsatz führte es aus:
„Sieht ein vom Arbeitgeber vorformulierter Arbeitsvertrag eine monatliche Leistungszulage unter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs vor, benachteiligt dies den Arbeitnehmer unwirksam. Die Klausel ist gem. den §§ 306, 307 BGB unwirksam.“
Seither hat sich die Rechtsprechung des BAG in vielen Entschiedungen mit den Wirksamkeitsgrenzen von Vereinbarungen auseinandergesetzt, mit denen der Arbeitgeber sich die Möglichkeit offen halten möchte, in Aussicht gestellte oder zugesagt Leistungen mit Wirkung für die Zukunft oder gar der Vergangenheit zu widerufen.
So wurden die früher üblichen Klauseln, mit denen der Arbeitgeber bestimmte (Zusatz-) Leistungen im Arbeitsvertrag (z.B. Prämien, für unwirksam erklärt. Wenn eine Leistung „freiwillig“ gewährt werde, bestehe von vornherein kein Anspruch des Arbeitnehmers, so dass sie nicht mehr im Wege des Widerrufs beseitig werden müsse. Der Arbeitgeber müsse daher entweder einen Freiwilligkeitsvorbehalt oder einen Widerrufsvorbehalt wählen, wenn er Leistungen zwar gewähren wolle, sich aber nicht dauerhaft vertraglich binden möchte (BAG, Urteil vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10).
Es gilt: Unklarheiten in der Formulierung im Arbeitsvertrag können zur Unwirksamkeit des gesamten Vorbehaltes mit der Folge führen, dass die volle (variable) Vergütung zu zahlen ist.
Zur Zeit lässt sich folgende Rechtslage zusammenfassen:
1.
Freiwilligkeitsvorbehalte sind bei „laufendem Arbeitsentgelt“ generell unwirksam. Hierzu zählen auch Leistungen, die nicht monatlich sondern z.B. jährlich erfolgen, sofern diese als zusätzliche Abgeltung der Arbeitsleistung dienen (Boni, Prämien etc). [BAG vom 14.09.2011, 10 AZR 526/10]
2.
Bei Widerrufsvorbehalten muss im Arbeitsvertrag klar und verständlich geregelt sein, unter welchen konkreten Voraussetzungen die Leistung widerrufen werden kann („Transparenzgebot“ gem. § 307 Abs. 1 BGB). Die häufig anzutreffende Formulierung „…kann nach billigen Ermessen widerrufen werden“ reicht ebenso wenig, wie die modernere Variante „…kann aus wirtschaftlichen Gründen widerrufen werden.“
3.
Unter Widerrufsvorbehalt gestellte Leistungen dürfen grundsätzlich nicht mehr als 25-30% der Gesamtvergütung ausmachen. Zudem darf das Tariflohnniveau nicht unterschritten werden. Darüber hinaus gehende Vorbehalte sind „unzumutbar“ i.S. des § 308 Nr. 4 BGB (BAG v. 12.01.05, 5 AZR 364/04).
Praxistipp zu Widerrufsvorbehalten:
Es sollten nicht mehr als 25% der Gesamtvergütung (einschl. Lohnzusatzleistungen) unter einen Widerrufsvorbehalt gestellt werden. Im Arbeitsvertrag sollten konkret die Gründe, aus denen eine Widerruf möglich sein soll (z.B. „Im Falle von Verlusten in der Handelsbilanz…“), aufgeführt sein. Freiwilligkeitsvorbehalte sollten allenfalls für Gratifikationen vereinbart werden, die nicht als Arbeitslohn zu bewerten sind, (z.B. Weihnachtsgeld).
Praxistipp zu Freiwilligkeitsvorbehalten:
Freiwilligkeitsvorbehalte sollten anlassbezogen und mit der jeweiligen Leistung erfolgen. Entscheidet sich der Arbeitgeber zur Zahlung z.B. eines „freiwilligen“ Weihnachtsgeldes, ohne dass er sich damit auch für die Zukunft binden möchte, sollte er sich vom Arbeitnehmer stets unterschreiben lassen, dass die Freiwilligkeit der Leistung ohne Bindungswirkung für die Zukunft zur Kenntnis genommen wurde. Von Klauseln im Arbeitsvertrag, nach denen alle zusätzlichen Leistungen unter den Vorbehalt der Freiwilligkeit gestellt werden sollen, ist abzuraten.