Die Haftung des Geschäftsführers für nicht bzw. nicht fristgerecht abgeführte Steuern wird immer wieder unterschätzt.
Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 14.12.2021, Az. VII R 32/20 ausführlich dargelegt, wann eine Haftung des Geschäftsführers einer GmbH für deren Steuerschulden entsteht.
1. § 34, § 69 Abgabenordnung – Haftung des Geschäftsführers
In den § 34, §69 Abgabenordnung (AO) ist festgelegt, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Geschäftsführers gegeben ist. Nach § 69 Satz 1 i.V.m. § 34 Abs. 1 AO haften Geschäftsführer einer GmbH persönlich für Steuerschulden der GmbH, wenn Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der dem Geschäftsführer auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder erfüllt worden sind.
Aus der Regelung wird geschlossen, dass der Geschäftsführer für die fristgerechte Anmeldung und auch der Abführung der Steuern verantwortlich ist. Die gilt auch für die nach § 41a Abs. 1 EStG geschuldete Lohnsteuer.
2. Pflichtverletzung des Geschäftsführers
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt die Nichtabführung einzubehaltender und anzumeldender Lohnsteuer regelmäßig eine zumindest grob fahrlässige Verletzung der Geschäftsführerpflichten dar. Voraussetzung ist, dass die gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkte nicht beachtet bzw. eingehalten werden.
Dabei ist es irrelevant, wenn im Rahmen einer späteren Prüfung eine Pauschalierung der Steuer erfolgt und damit die Fälligkeit der Steuer geändert wird.
Im vorliegenden Rechtsstreit hatte ein Geschäftsführer in zwei Monaten die Lohnsteuer der GmbH nicht bzw. unvollständig abgeführt. Die Fehler beruhten auf einer grob fahrlässigen Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers.
3. Grundsatz der anteiligen Tilgung
Dabei hat das Gericht ausgeführt, dass Zahlungsschwierigkeiten der GmbH weder etwas an der Pflichtenstellung des GmbH-Geschäftsführers ändern. Auch schließen sie sein Verschulden bei Nichterfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH nicht aus. Wenn die der GmbH zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel zur Befriedigung der arbeitsrechtlich geschuldeten Löhne (einschließlich des in ihnen enthaltenen Steueranteils) nicht ausreichen, so darf der Geschäftsführer die Löhne nur entsprechend gekürzt auszahlen. Weiter muss er aus den dadurch übrig bleibenden Mitteln, die auf die gekürzten (Netto-)Löhne entfallende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. (Grundsatz der anteiligen Tilgung)
4. Beratung durch Rechtsanwälte und Steuerberater
Zwar ist nach der Rechtsprechung generell davon auszugehen, dass der Geschäftsführer einer GmbH dann nicht schuldhaft handelt, wenn er die Sachkunde eines ihm als zuverlässig bekannten ‑‑und als Angehöriger eines rechtsberatenden oder steuerberatenden Berufs befugten‑‑ steuerlichen Beraters in Anspruch nimmt. Dabei muss er sich auf diesen verlassen. Weiter darf der Geschäftsführer bei gewissenhafter Ausübung seiner Überwachungspflichten keinen Anlass haben, die steuerliche Korrektheit der Arbeit des steuerlichen Beraters in Frage zu stellen. Allerdings darf der Geschäftsführer nach dieser Rechtsprechung nicht blind auf die ordnungsgemäße Aufgabenerledigung durch Dritte vertrauen und auf eine Überwachung gänzlich verzichten. Vielmehr muss er sich fortlaufend über den Geschäftsgang unterrichten, so dass ihm Unregelmäßigkeiten nicht über einen längeren Zeitraum verborgen bleiben können.
5. Rechtsfolgen
Da in dem vorliegenden Rechtsstreit eine Entlastung durch die Beratung eines Steuerberaters bzw. Rechtsanwaltes nicht eingriff und eine Pflichtverletzung vorlag, wurde der Geschäftsführer zur Zahlung der offenen Steuerschulden der insolventen GmbH verurteilt.