Gewerbemiete in der Pandemie

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Welche Folgen haben die staatlichen Lockdown-Maßnahmen?

Seit dem „Lockdown“ im Frühjahr 2020 streitet die Fachwelt über die rechtlichen Folgen der staatlichen Maßnahmen für Gewerbemietverhältnisse. Dabei spielt insbesondere die Frage eine Rolle, ob betroffene Mieter auch während der angeordneten Betriebsschließung die volle Miete zu zahlen haben. Es wurden hierzu zwischenzeitlich eine Reihe gerichtlicher Entscheidungen veröffentlicht, die allerdings sehr uneinheitlich sind. Teilweise wurden Mietkürzungen mit dem Argument verneint, dass die Schließungen allein dem Verwendungsrisiko des Mieters unterliegen. Gegenteilige Stimmen gehen von einer vollständigen Mietbefreiung im Lockdown aus.

Der Gesetzgeber hat Ende 2020 hierauf reagiert und folgende Norm in Art. 240 EGBGB eingefügt:

§ 7 Störung der Geschäftsgrundlage von Miet- und Pachtverträgen

(1) Sind vermietete Grundstücke oder vermietete Räume, die keine Wohnräume sind, infolge staatlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblicher Einschränkung verwendbar, so wird vermutet, dass sich insofern ein Umstand im Sinne des § 313 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der zur Grundlage des Mietvertrages geworden ist, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert hat.

(2) Absatz 1 ist auf Pachtverträge entsprechend anzuwenden.

Hiermit wollte der Gesetzgeber klarstellen, dass die Miethöhe während des Lockdowns in der Regel anzupassen ist. Wie aber eine solche Anpassung zu erfolgen hat und insbesondere in welcher Höhe eine Mietkürzung in Betracht kommt, bleibt dabei eine Frage des Einzelfalls. Es kommt z. B. darauf an, ob eine Nutzung völlig unterbleibt (Frisöre, Fitnessstudios etc.), oder ob zumindest Teile des Betriebs aufrechterhalten werden (Außengastronomie, „Click & Collect“ im Einzelhandel etc.). Auch können sich staatliche Überbrückungshilfen auf den Anpassungsanspruch des Mieters auswirken. Ob sich die „Klarstellung“ des Gesetzgebers in Art. 240 § 7 EGBGB auch auf Sachverhalte vor Ende 2020 auswirkt, ist ebenfalls noch nicht entschieden. Für Klarheit wird erst der Bundesgerichtshof sorgen können. Bis dahin muss die Branche mit einer erheblichen Rechtsunsicherheit leben.

Das LG München I (Urteil v. 25.01.2021, 31 O 7743/20) hatte jüngst über folgenden Sachverhalt zu entscheiden:

Der Mieter eines Hotels stellt infolge der Lockdown-Maßnahmen im Frühjahr 2020 seinen Betrieb ein, und zwar auch für Geschäftskunden, die von dem Verbot nicht umfasst waren. Außerdem zahlt er seinem Vermieter für drei Monate keine Miete, der ihn daraufhin verklagt.

Das Gericht lehnt zwar eine Mietminderung ab, geht aber von einer Störung der Geschäftsgrundlage aus. Dabei hält es den neuen Art. 240 § 7 EGBGB auch auf Altfälle, die zeitlich vor dem Inkrafttreten dieser Norm liegen, für anwendbar. Bei der Frage, ob und wie sich diese Störung auf die Pflicht zur Mietzahlung auswirkt, geht das Gericht, da beide Vertragsteile die Situation gleichermaßen nicht verschulden, im Grundsatz von einer Kürzung der Miete um die Hälfte aus.

Der Kürzungsbetrag von 50 Prozent sei allerdings vorliegend weiter zu reduzieren. So hätte der Hotelmieter nicht vollständig schließen müssen. Schließlich war ihm die Beherbergung von Geschäftskunden nach wie vor erlaubt. Zudem habe der Mieter das Gebäude auch während des Lockdowns untergeordnet nutzen können, z. B. für Verbesserungsmaßnahmen.

Aber auch unter Berücksichtigung der dann noch verbleibenden Risikoverteilung komme vorliegend ein Anpassungsanspruch des Mieters nicht in Betracht. So habe der Mieter in den vergangenen Jahren beträchtliche Gewinne erzielt, von denen er Rücklagen in Höhe von jedenfalls 20 Prozent für unvorhergesehene Ereignisse hätte bilden müssen. Da aber die Klageforderung nicht die Summe von jeweils 20 Prozent der in den letzten drei Jahren erzielten Gewinne vor Steuern erreichte, verurteilte das Gericht den Mieter zur Nachzahlung der vollen Mieten für April, Mai und Juni 2020.

Ob sich diese Ansicht in der Rechtsprechung durchsetzen wird, darf zumindest bezweifelt werden. Die Fortsetzung des Vertrages zu unveränderten Konditionen während einer Lockdown-Maßnahme wird dem Mieter nämlich in der Regel auch dann unzumutbar sein, wenn er die Miete im betreffenden Zeitraum aus seinen Rücklagen hätte bestreiten können.