1. Bundesfinanzhof, Aktenzeichen IX R 49/15
Im Rahmen von Unternehmensverkäufen kommt es öfters nach der Beurkundung der Verträge zu Streitigkeiten. Im vorliegenden Rechtstreit waren bereits im Jahre 1998 Anteile an zwei Gesellschaften mit beschränkter Haftung verkauft worden. Nachdem der Kaufpreis über Jahre gestundet und durch den Unternehmenskäufer nicht gezahlt worden war, einigten die Parteien sich im Jahr 2001 auf eine Rückabwicklung des Unternehmenskaufvertrages.
In der Folge wurden die GmbH Anteile zurückübertragen und die Zahlungsverpflichtung wurde fallen gelassen.
Im Jahr 2004 erfolgte durch eine der GmbHs eine Ausschüttung an den Gesellschafter aus dem steuerlichen Einlagekonto in Höhe von 3.858.498 EUR.
Nach dem Tode des Gesellschafters im Jahre 2006 veräußerte die Erbin die Gesellschaftsanteile.
2. Betriebsprüfung
Das Finanzamt vertrat in einer Betriebsprüfung die Auffassung, die Rückabwicklung der Verträge wirke auf den Zeitpunkt der Veräußerung (1998) zurück. Es besteuerte die Ausschüttung des Jahres 2004 und den mit dem GmbH Verkauf im Jahr 2006 erzielten Kaufpreis als Veräußerungsgewinne.
3. Veräußerungsgewinne
Der Bundesfinanzhof stellte in seinem Urteil dar, wie sich der Veräußerungsgewinn berechnet und unter welchen Voraussetzungen Zahlungen aus dem steuerlichen Einlagenkonto und Anschaffungskosten zu berücksichtigen sind.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der in den Streitjahren (2004 und 2006) geltenden Fassung gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 % beteiligt war. Als Veräußerung gilt auch die Ausschüttung oder Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 des Körperschaftsteuergesetzes, es sei denn, dass die Bezüge zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen gehören (§ 17 Abs. 4 EStG).
Der Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt. Bei einer Ausschüttung oder Rückzahlung aus dem steuerlichen Einlagekonto ist als Veräußerungspreis der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens der Kapitalgesellschaft anzusehen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 EStG). Hat der Veräußerer den Anteil unentgeltlich erworben, so sind als Anschaffungskosten des Anteils die Anschaffungskosten des Rechtsvorgängers maßgebend, der den Anteil zuletzt entgeltlich erworben hat.
4. Anschaffungskosten
Die Erbin des ursprünglichen Verkäufers wendete sich in der Klage nicht gegen die grundsätzliche Einschätzung, dass Veräußerungsgewinne vorlägen. Sie begehrte aber die Berücksichtigung höherer Anschaffungskosten, die den Veräußerungsgewinn gemindert hätten, mit der Begründung, dass die Rückabwicklung der Verträge als Anschaffungsvorgang zu behandeln sei und die Anschaffungskosten dem Wert der erlassenen Kaufpreisforderung entsprächen.
Anschaffungskosten sind nach § 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs sämtliche Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben, ihn also von der fremden in die eigene Verfügungsmacht zu überführen.
In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist anerkannt, dass die Rückabwicklung eines beiderseits noch nicht vollständig erfüllten Kaufvertrags keine Anschaffung ist, soweit das spätere Ereignis mit steuerlicher Wirkung auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückwirkt. Die Rückübertragung der Verfügungsmacht stellt in diesem Fall keinen gesonderten marktoffenbaren Vorgang, sondern nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar.
Danach liegt grundsätzlich eine steuerlich zurückwirkende Rückabwicklung und keine Veräußerung/Anschaffung vor, wenn der ursprüngliche Vertrag im Zeitpunkt der Rückabwicklung noch nicht beiderseits vollständig erfüllt war. Unerheblich ist dagegen, ob der Vertrag wegen einer Leistungsstörung rückabgewickelt worden ist, und ob eine Leistungsstörung wirklich vorlag
Damit liegt im Erlass des Kaufpreises im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages keine Anschaffung der zurückübertragenen GmbH Anteile, sondern ein rückwirkendes Ereignis. In der Folge sind Anschaffungskosten aufgrund des Erlasses des ursprünglichen Kaufpreises nicht entstanden und nicht im Rahmen der Ermittlung des Veräußerungsgewinns zu berücksichtigen.
Der Bundesfinanzhof die Klage daher abgewiesen.