Der Bundesfinanzhof hat in seiner Entscheidung vom 13.08.2020, Az. VI R 1/17 festgehalten, dass die Zahlung eines Arbeitgebers auf Verwarnungsgeld wegen einer ihm gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 OWiG erteilten Verwarnung eine Leistung auf eine eigene Schuld darstellt. Die Zahlung des Arbeitgebers führt daher nicht unmittelbar zu Arbeitslohn des die Ordnungswidrigkeit begehenden Arbeitnehmers.
I. Sachverhalt
Die Klägerin, ein Logistikunternehmen, erhielt aufgrund von Parkverstößen ihrer Mitarbeiter, Verwarnungen, die unmittelbar ihr gegenüber festgesetzt wurden, verbunden mit einer Zahlungsaufforderung. In weiteren Fällen wurden der Klägerin als Halterin ein Zeugenfragebogen und ein Überweisungsvordruck übersandt, mit der Aufforderung zur Vermeidung weiterer Ermittlungen die Personalien des Fahrers mitzuteilen oder das Verwarnungsgeld innerhalb von einer Woche zu entrichten. In beiden Varianten leistet die Klägerin die Verwarnungsgelder innerhalb der gesetzten Wochenfrist. Dabei hat die Klägerin nur Verwarngelder gezahlt, die auf den Parkverstößen ihrer Fahrer beruhten. Verwarnungs- oder Bußgelder für andere Verstöße ihrer Fahrer gegen die StVO (wie etwa überhöhte Geschwindigkeit) hat die Arbeitgeberin nicht getragen.
II. Rechtslage
Es stellte sich bei dem Sachverhalt die Frage, ob die Zahlungen der Verwarnunggelder durch die Arbeitgeberin Arbeitslohn darstellen und der Lohnsteuer unterliegen.
a. Lohnsteuer
Grundsätzlich gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG —neben Gehältern und Löhnen— auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäftigung gewährt werden, unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einmalige Bezüge handelt (§ 19 Abs. 1 Satz 2 EStG).
Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäftigung gewährt, wenn sie durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst sind, ohne dass ihnen eine Gegenleistung für eine konkrete (einzelne) Dienstleistung des Arbeitnehmers zugrunde liegen muss. Auch der Erlass einer Forderung, die dem Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer zusteht, kann Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG darstellen.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat der BFH bestätigt, dass den Arbeitnehmern der Klägerin nicht schon deshalb Arbeitslohn zugeflossen ist, weil die Klägerin die Verwarnungsgelder i.S. des § 56 OWiG an die zuständige Verwaltungsbehörde gezahlt hat.
Betroffener i.S. des OWiG ist ungeachtet eines Tatbeitrags auch der Halter des Fahrzeugs, soweit ihm gegenüber ein Verwarnungsgeld erhoben wird. Ist der Halter, hier die Klägerin, nach Belehrung über sein Weigerungsrecht mit der Verwarnung einverstanden und zahlt das Verwarnungsgeld, wird die Verwarnung wirksam. Ausgehend von diesen Grundsätzen wurde entschieden, dass die Zahlung des Verwarnungsgeldes auf eine eigene Schuld der Klägerin erfolgt ist und daher nicht zu einem Zufluss von Arbeitslohn bei dem Arbeitnehmer führen kann, der die Ordnungswidrigkeit begangen hat. Die Klägerin als Betroffene hat die Verwarnung durch Zahlung des Verwarnungsgeldes sich gegenüber wirksam werden lassen.
b. Verzicht auf den Rückgriff gegenüber dem Arbeitnehmer
Offen gelassen hat das Gericht aber die Frage, ob den Arbeitnehmer ein geldwerter Vorteil dadurch zugeflossen ist, weil die Klägerin eine realisierbare Forderung in Form eines vertraglichen oder gesetzlichen Rückgriffs- oder Schadensersatzanspruchs im Hinblick auf die Verwarngelder erlassen hat.
Einen geldwerten Vorteil und damit Arbeitslohn stellt es auch dar, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine realisierbare Forderung erlässt. Der Arbeitslohn fließt in einem solchen Fall in dem Zeitpunkt zu, in dem der Arbeitgeber zu erkennen gibt, dass er keinen Rückgriff nehmen wird und sich der Arbeitnehmer hiermit einverstanden erklärt.
Sollte daher feststehen, dass der Klägerin wegen der Parkverstöße und der gezahlten Verwarngelder ein realisierbarer (einredefreier und fälliger) Schadensersatzanspruch gegen den jeweiligen Fahrer zusteht und wird dieser erlassen, kommt der Zufluss von Arbeitslohn in Betracht
III. Hinweis
Die Entscheidung ist grundsätzlich positiv zu werden. Allerdings ist dringend davon abzuraten, diese als Freifahrtschein für die Zahlung von Verwarngeldern für Mitarbeiter zu sehen. Es bleibt abzuwarten, welche Anforderungen die Gerichte an einen Verzicht auf Rückforderung gegenüber den Mitarbeitern stellen.