Verwirkung von öffentlich-rechtlichen Abwehransprüchen

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Im Zivilrecht ist die Verwirkung ein „alter Hut“

Im Zivilrecht ist das Institut der Verwirkung hinlänglich bekannt. Demnach verwirkt ein Anspruch dann, wenn der Anspruchsinhaber diesen über einen langen Zeitraum hinweg nicht geltend macht. Hierbei handelt es sich um das sogenannte Zeitmoment. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um eine Verwirkung zu begründen.

Hinzutreten muss auch das sogenannte Umstandsmoment. Dies liegt vor, wenn der Anspruchsgegner aufgrund des Verhaltens des Anspruchsstellers nicht mehr davon ausgehen musste, dass er noch in Anspruch genommen wird. Das ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn trotz der wechselseitigen Kenntnis von dem Anspruch keine Inanspruchnahme erfolgt.

Schließlich muss sich der Anspruchsgegner darauf eingerichtet haben, dass er nicht mehr in Anspruch genommen wird. Das ist anzunehmen, wenn er etwaige Rücklagen aufbrauchte.

Auch im öffentlichen Recht verwirken Ansprüche

Weniger bekannt ist, dass auch öffentlich-rechtliche Abwehransprüche eines Nachbarn gegen ein Bauvorhaben verwirken können. Das bestätigte jüngst das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) in seinem Urteil vom 30.06.2021, Az.: 7 A 3161/18.

Die Voraussetzungen sind mit denen des Zivilrechts vergleichbar:

Eine Verwirkung tritt ein, wenn der Bauherr infolge eines bestimmten Verhaltens des Nachbarn darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach langer Zeit nicht mehr gegen das Bauvorhaben geltend machen würde. Dies bezeichnet das OVG NRW als die sogenannte Vertrauensgrundlage.

Weiterhin muss der Bauherr tatsächlich darauf vertraut haben, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde, was als Vertrauenstatbestand bezeichnet wird.

Zuletzt muss der Bauherr sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts des Nachbarn ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Diese Voraussetzung nennt das OVG NRW „Vertrauensbetätigung“.

Besonders ist hierbei im Gegensetz zum Zivilrecht, dass sich der Grundstückseigentümer das Verhalten eines Rechtsvorgängers zurechnen lassen muss. Denn die nachbarlichen Abwehrrechte im Baurecht sind grundstücksbezogene Rechte.

Auch Rechtsmittelfristen sind zu beachten

Hieraus ist der Rückschluss zu ziehen, dass mit der Geltendmachung von nachbarlichen Abwehrrechten auch im öffentlichen Recht nicht zu lang zugewartet werden sollte. Bestehen also Bedenken im Hinblick auf das Bauvorhaben eines Nachbarn, so sollte dies möglichst kurzfristig geprüft werden.

Denn zu beachten ist nicht nur eine Verwirkung, sondern auch eine etwaige Rechtsmittelfrist.

Gerne sind wir Ihnen bei der Überprüfung eines Bauvorhabens oder bei der Abwehr unberechtigter Abwehransprüche behilflich.