Vorbeschäftigung und sachgrundlose Befristung

Startseite » Aktuelles » Vorbeschäftigung und sachgrundlose Befristung

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat die Rechtsprechung des BAG gekippt, wonach ein vorheriges Beschäftigungsverhältnis einer nochmaligen Einstellung in sachgrundloser Befristung nur dann entgegensteht, wenn die Vorbeschäftigung nicht länger als 3 Jahre zurückliegt.

Ausgangslage:

Die Befristung von Arbeitsverhältnissen ist nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich. Diese finden sich in § 14 Teilzeitbefristungsgesetz (TzBfG). Wenn kein sachlicher Grund (z.B. Vertretung) vorliegt, kommt nur eine sog. „sachgrundlose Befristung“ in Betracht. Diese ist aber gem. § 14 Abs. 2 TzBfG nur möglich, „wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor kein Arbeitsverhältnis bestanden hat„.

Nach dem Gesetzeswortlaut ist dieses Verbot der Vorbeschäftigung zeitlich nicht begrenzt. D.h., dass eine sachgrundlose Befristung auch dann ausscheidet, wenn der Arbeitnehmer z.B. vor 25 Jahren ein paar Wochen für den Arbeitgeber (der damals möglicherweise noch anders firmierte) gearbeitet hat. Dies auch dann, wenn dem Arbeitgeber (oder Arbeitnehmer) dieser Umstand bei der Einstellung gar nicht bewusst war.

(Bisherige) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) empfand diese Einschränkung als vom Gesetzgeber nicht gewollt und nahm seit 2011 eine Auslegung des Gesetzes zugunsten des Arbeitgebers vor. Eine Vorbeschäftigung beim selben Arbeitgeber sollte einer sachgrundlosen Befristung nur dann entgegenstehen, wenn das vorherige Arbeitsverhältnis nicht länger als drei Jahre zurückliegt.

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat sich im Jahre 2014 dieser Ansicht des BAG entgegengestellt und beim BVerfG beantragt, die Rechtsprechung des BAG zu überprüfen.

Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 06.06.2018, 1 BvL 7/14):

Aus Sicht des BVerfG war die Auslegung durch das BAG nicht mehr vom Willen des Gesetzgebers gedeckt. Es gebe keine Hinweise darauf, dass der Gesetzgeber es versehentlich versäumt haben könnte, eine Befristung des Vorbeschäftigungsverbotes zu formulieren. Die richterliche Rechtsfortbildung dürfe den klaren Willen des Gesetzgebers daher nicht übergehen und durch ein eigenes Regelungsmodell ersetzen.

Allerdings sieht auch das BVerfG, dass ein generelles Vorbeschäftigungsverbot bei einer sachgrundlosen Befristung unzumutbar sein könne, soweit „eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit des Arbeitnehmers ausgeschlossen werden“ könne. Dies könne z.B. dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung „sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist“ (etwa bei Nebenbeschäftigungen während Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden).

Folgen des Urteils:

Die Rechtsprechung des BAG ist damit vom Tisch. Vorbeschäftigungszeiten können auch dann einer sachgrundlosen Befristung entgegenstehen, wenn diese länger als 3 Jahre zurückliegen. Die Rechtslage ist damit allerdings wieder so ungewiss, wie vor der Rechtsprechung des BAG im Jahre 2011. Es bleibt also abzuwarten, wie die vom BVerfG den Arbeitsgerichten ausdrücklich eröffneten Auslegungsbefugnisse genutzt werden.

Tipps für die Praxis:

Es wird Jahrzehnte dauern, bis sich anhand der Rechtsprechung klar vorhersagen lässt, in welchen Ausnahmefällen ein früheres Beschäftigungsverhältnis einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegensteht. Daher ist Arbeitgebern dringend zu empfehlen, ihre Fragebögen zur Einstellung von Arbeitnehmern in sachgrundloser Befristung zu überarbeiten. Wie früher muss nun wieder ermittelt werden, ob der Bewerber jemals in einem Anstellungsverhältnis zum Arbeitgeber stand. Da auch Arbeitsverhältnisse bei Rechtsvorgängern als Vorbeschäftigungsverhältnisse gelten, sollten im Fragebogen diese Rechtsvorgänger (und auch frühere Firmierungen des Arbeitgebers) namentlich benannt werden.

Haben Sie weitere Fragen zur Befristung oder „Entfristung“ von Arbeitsverhältnissen, rufen Sie uns an, auf unserer Hotline für Arbeitsrecht: 0221-39924-20 oder senden Sie mir eine Email unter info@gssr.de.