Kann der Nachbar Einsicht auf mein Grundstück nehmen? Diese Frage stellen sich zunehmend mehr Eigentümer. Auslöser sind meistens neue Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück.
In der heutigen Zeit steigender Grundstückspreise werden Bauvorhaben nämlich immer größer. Das betrifft nicht nur deren Höhe. Auch die Erstreckung in den rückwärtigen Grundstücksbereich nimmt zu. Das führt nicht selten dazu, dass die neuen Nachbarn nach der Vollendung des Bauvorhabens zukünftig Einsicht in den vormals vor Blicken Dritter geschützten Gartenbereich nehmen kann.
Unverändert besteht aber meistens der Wunsch, in den eigenen vier Wänden oder im Garten vor den Blicken Dritter abgeschottet oder geschützt zu sein. Wird diese Hoffnung aber aufgrund des nachbarlichen Bauvorhabens enttäuscht, fühlt sich die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt an.
Schnell stellt sich dann die Frage, ob dies hinzunehmen ist oder der Nachbar möglicherweise gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot verstoßen haben könnte. Denn dies ist grundsätzlich von jedem Bauherrn zu beachten. Wäre ein solcher Verstoß zu bejahen, könnte dies bei einer erheblichen Beeinträchtigung zu einem Beseitigungsanspruch führen. Vorausgesetzt, es können keine anderen Abhilfemaßnahmen ergriffen werden.
Die Antwort auf diese Frage ist von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich zu beantworten: Grundsätzlich gilt, dass eine unzulässige Einsicht nur unter engen Voraussetzungen einen Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot begründet. Dasselbe gilt auch für Verschattungen oder die Annahme einer erdrückende Wirkung eines Bauvorhabens auf das eigene Grundstück.
Die Rechtsprechung lehnt eine unzumutbare Beeinträchtigung durch eine Einsicht oder Einsichtnahmemöglichkeit im Regelfall ab. Dies bestätigte das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW) kürzlich mit seinem Beschluss vom 10.08.2022, Az.: 7 B 572/22:
Demnach ist in einer bebauten Innenlage heutzutage hinzunehmen, wenn von dem Nachbargrundstück eine Einsicht möglich ist oder erfolgt. Das sei in der heutigen Zeit sozialadäquat und üblich.
Tatsächlich bejahte die Rechtsprechung bisher nur in wenigen besonderen Extremfällen eine unzumutbare Beeinträchtigung durch eine Einsichtnahmemöglichkeit. Dies nahm die Rechtsprechung beispielsweise an, als der Nachbar einen Balkon nur knapp über einem Meter vor dem Schlafzimmerfenster errichtete.
Gerne prüfen wir für Sie, ob in Ihrem Fall eine unzumutbare Einsichtnahmemöglichkeit, eine erdrückende Wirkung oder eine sonstige Verletzung nachbarschützender Regelungen vorliegen und somit erfolgreich gerichtlicher Rechtschutz in Anspruch genommen werden könnte.